Salzland
Einmal hin, alles drin.
Claudia Franke
Die gute Seele vom Konsum

Katharina Thormann
Der Dorfladen in Neugattersleben ist einer der letzten seiner Art in der Region. Wenn Claudia Franke erst die Gitter- und dann die Eingangstür zum Konsum in Neugattersleben, Hohendorfer Platz 2, gegen 7 Uhr morgens aufschließt, muss alles zügig gehen.
Kaum sind die Exemplare der aktuellen Bernburger Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung im Ständer einsortiert und die frischen Brötchen in den Körben verstaut, betritt schon der erste Kunde den Laden und zieht einen der acht Einkaufswagen aus der Reihe im Vorraum. „Hier ist eigentlich immer ab morgens schon Betrieb, vor allem auch wegen der frischen Frühstücksbrötchen“, weiß Claudia Franke, die seit knapp vier Jahren die gute Seele des Konsums ist. „Es war ein echter Glücksfall, dass die Stelle ausgeschrieben war“, erzählt sie.
Entscheidung nie bereut
Zuvor hatte die Verkäuferin, die einst eine Ausbildung als Kinderpflegerin absolvierte, ihr Geld im Real-Markt in Staßfurt verdient. Doch dann kam das Aus des Marktes und die 45-Jährige musste sich überraschend einen neuen Job suchen. Keine Sekunde hat sie bisher bereut, sich für den Neugatterslebener Dorfkonsum entschieden zu haben, den es an dieser Stelle hier schon seit Jahrzehnten gibt. „Die Stelle passt wie Deckel auf Topf“, sagt sie. Auch, weil der Konsum gerade einmal acht Minuten Autofahrt von ihrem Zuhause in Grimschleben entfernt liegt. Da lohnt sich meist sogar eine kurze Heimatfahrt in der Mittagspause, um den Jüngsten ihrer drei Söhne mit Mittagessen zu versorgen.
Apropos Mittag: Vor allem auch deshalb kommen die Einwohner des Ortes, die zum Teil auch kein Auto (mehr) fahren, in den langgezogenen Laden in der Dorfmitte. „Wir haben hier Konserven, aber auch Tiefkühlware wie Hähnchenschenkel und Kartoffeln und Reis. Also alles, was man so braucht“, sagt Franke.
Und das ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr rings um Bernburg. Gab es bis vor ein paar Jahren noch in mehreren Dörfern einen Konsum, sind die „Tante-Emma-Läden“ heutzutage beinahe ausgestorben. Gerlebogk hatte einst einen, Cörmigk auch und selbst der Laden in Poley steht nun leer und ist fest verschlossen. Für viele ist der wirtschaftliche Druck immer größer geworden. Miete, Löhne und das Mithalten mit den niedrigen Preisen in den Supermärkten der größeren Städte machte den Kampf ums Überleben immer schwieriger.

Immer gut besucht: Zahlreiche Stammkunden werden von Claudia Franke im Konsum in Neugattersleben mit Lebensmitteln versorgt.
Alltagshilfe für viele ältere Kunden
Doch all das scheint am Konsum in Neugattersleben abzuprallen. Die Eingangstür steht kaum fünf Minuten still. Diesmal betritt Dieter Fichtner den Laden: „Ich vergebe Note sehr, sehr gut“, sagt er, als er von Verkäuferin Claudia Franke spricht und bei ihr ein halbes Brot für den kommenden Tag ordert. „Alles, was wir nicht haben, schreibe ich auf und versuche es für die Kunden zu bestellen“, sagt Franke. Die Backwaren stammen von der Bäckerei Siegmann aus Bernburg. Tagtäglich wird der Laden mit Brot, Brötchen und Kuchen beliefert. Die übrigen Lebensmittel kommen von Edeka.
Und vor allem für Geburtstage oder vor dem Weihnachtsfest greift Claudia Franke auch schon mal zu Geschenkpapier und Klebeband. „Manche Kunden sind alleinstehende Männer, die ihre Frauen verloren haben. Sie sind froh, wenn ich ihnen ein bisschen beim Einpacken helfe“, erzählt sie ganz selbstverständlich.
Selbstverständlich ist für sie auch der Tisch mit den beiden Stühlen gegenüber der Kasse. Auf der ausgebreiteten Tischdecke steht eine Schüssel voll mit Bonbons. „Da greifen die Kunden gern zu und nehmen kurz zum Ausruhen Platz“, weiß die Mitarbeiterin des Dorfkonsums, die passend zu den Anlässen die Sitzecke auch dekoriert. „Manchmal bringen mir die Kunden Deko mit, an Weihnachten steht hier immer ein Baum mit Christbaumkugeln“, erzählt sie.
„Es ist hier nicht nur ein Konsum, sondern auch Anlaufpunkt vom Dorf, hier bekommt man Informationen und alles Wichtige. Eine bessere Verkäuferin können wir uns gar nicht vorstellen“, bestätigt Doris Fuchs. Denn zusätzlich zu den Lebensmitteln gibt es im Dorfkonsum sogar eine Bücherecke. „Die haben die Frauen aus dem Dorf hier mit Büchern gefüllt, die man sich ausleihen kann“, sagt Claudia Franke, während sie gerade in der Getränkeabteilung die leuchtend gelben Kästen mit Brauseflaschen sortiert.
Mehr als nur verschiedene Getränke
Eigentlich ist es nur dieser Marke „Duponia“ zu verdanken, dass es den Markt in dieser Größe und mit diesem umfangreichen Sortiment überhaupt noch gibt. Denn betrieben wird er seit 2008 von dem 1880 gegründeten Traditionsunternehmen Duponia mit Sitz in Calbe, das sich vor allem auf Erfrischungsgetränke spezialisiert hat. Schaut man sich in der Getränkeabteilung um, entdeckt man dabei eine große Auswahl an Brausesorten. Von Quick-Cola über Tonic bis hin zu Waldmeister. Und wer mag, wird auch bei Rhabarber-Brause und Club Mate fündig, die dort von anderen Anbietern zum Kauf stehen. „Alles, was man im Grunde zum Leben braucht, gibt es hier. Und über die nette Verkäuferin freuen wir uns jeden Tag“, sagt Edith Wolter.
Fündig werden deshalb nicht nur Kunden, die auf der Suche nach Erfrischungsgetränken oder dem nächsten Mittagessen sind. Wenn der Konsum dienstags und donnerstags am Nachmittag geöffnet hat, kommen auch die Kinder und Jugendlichen aus dem Ort, um mit ihrem Taschengeld Chips, Schokolade oder einen Lolli zu kaufen. Denn auch hier weiß Claudia Franke, was gerade bei dem Nachwuchs gefragt ist.
Und dann zeigt der Zeiger der Uhr über dem Eingang 17 Uhr. Feierabend! Noch durchfegen, auch vorbei an den Paketen, die im Konsum ebenfalls abgegeben werden können, und dann geht es für Claudia Franke nach Hause. Immer mit dabei, das gute Gefühl, den Einwohnern von Neugattersleben ein Stück dabei zu helfen, einen schönen Tag zu haben. „Es macht einfach Spaß, die Kunden sind dankbar und ich freue mich, dass der Konsum so gut angenommen wird“, sagte Claudia Franke.

Der Dorfkonsum wird von Duponia betrieben.
©Engelbert Pülicher