Halle & Saalekreis
Mit voller Lautstärke: Ostdeutscher Stolz mal anders
Verein Eastside Pride Hardcore
Hardcore-Helden: Musikalisches Engagement gegen rechts

Luise Mosig
Der Verein Eastside Pride Hardcore, bekannt als Veranstalter des „Return to Strength“-Festivals in Querfurt, hat 2020 ein „Kulturzentrum“ in Obhausen gegründet, um das kulturelle Leben im ländlichen Raum zu bereichern. Dafür sind viele Vereinsmitglieder in ihre Heimat zurückgekehrt. In einer Halle am Rand von Obhausen, in der früher Traktoren hergestellt wurden, finden heute Lesungen, Workshops und Filmvorführungen statt. Und vor allem natürlich: Hardcore-Konzerte. Vor einigen Jahren hat sich der Verein Eastside Pride Hardcore dort eingemietet, der im Saalekreis vor allem dafür bekannt ist, das jährliche Musikfestival „Return to Strength“ (abgekürzt: RTS, übersetzt: „Rückkehr zur Stärke“) in Querfurt zu veranstalten.
Seit 2011 richten die Vereinsmitglieder – die in Anlehnung an die Abkürzung RTS auch als „Rats“ (übersetzt: „Ratten“) bekannt sind – das mittlerweile international bekannte Szene-Event aus. Anfangs wurde das Ganze noch privat organisiert, später folgte die Vereinsgründung. Doch seit 2020 stellen die „Rats“ nicht nur Konzerte für Hardcore-Fans auf die Beine, sondern wollen mit einem breiten Repertoire an Angeboten möglichst viele Menschen in der Region erreichen. 2021 beispielsweise luden die „Rats “zu einer Gesprächsrunde mit einem Zeitzeugen des DDR-Punks ein. Auch Hoffeste und einen Workshop zum Thema Bildbearbeitung gab es schon im „Kulturzentrum“ der „Rats“.
Letztes Jahr konnte man dort in einem eintägigen Seminar von einem Historiker lernen, wie man die Rolle der eigenen Familie in der NS-Zeit systematisch erforschen kann. „Wir sind offen für alle Leute, die Lust haben, sich kulturell einzubringen, und für eine vielfältige Gesellschaft einstehen wollen“, erklärt Vereinsmitglied Florian Fandrich. Denn zum Selbstverständnis der „Rats“ gehört auch, dass Leute mit rassistischen, sexistischen oder anderen menschenfeindlichen Ansichten draußen bleiben müssen.
Leider auch Ärger mit Neonazi-Gruppen
Diese bewusste Positionierung kommt nicht von ungefähr. Viele der alteingesessenen Mitglieder entstammen den Metal- und Punk-Jugendkulturen der frühen 2000er und haben in den Anfangszeiten des RTS-Festivals ihre Erfahrungen mit örtlichen Neonazi-Gruppen gemacht. Auf dem Flyer für das erste Festival hatten die „Rats“ den Spruch „Kein Bock auf Nazis“ drucken lassen. Daraufhin hätten Neonazis das Festzelt zerschnitten, berichtet Florian Fandrich. Die Täter wurden offiziell zwar nie ermittelt, aber „Querfurt ist ein kleiner Ort, man findet schnell heraus, wer das war“, meint Fandrich. Die herbeigerufene Polizei hätte ihn und seine Freunde damals gefragt, warum sie so was denn auch auf ihre Flyer schreiben müssten, erinnert sich Fandrich, so nach dem Motto: selbst schuld.

Florian Fandrich gehört zu den Gründungsmitgliedern des RTS-Festivals.
Kulturzentrum war früher eine Skatehalle
Bevor die „Rats“ ihr Kulturzentrum in Obhausen gründeten, organisierten sie oft Konzerte in der Partyscheune Döcklitz. Zwei bis drei Mal im Jahr gab es dort Hardcore auf die Ohren, im Grunde eine aggressivere und schnellere Spielart des Punk-Genres. „Die Konzerte in der Partyscheune waren echt gut besucht, doch dem Vermieter war es leider scheißegal, wem er seine Räumlichkeiten vermietete, weshalb dort auch Fascho-Konzerte stattfanden“, berichtet Fandrich. Irgendwann nahm der Verfassungsschutz das Objekt ins Visier und wollte von allen Veranstaltern nicht nur die Namen der Bands erfahren, sondern sogar die Namen der Bandmitglieder. Die „Rats“ gingen deshalb dann in die Halle nach Obhausen, die damals noch als Skatehalle fungierte. „Bei den ersten Konzerten haben wir die Halfpipe der Skater als Bühne genutzt“, sagt Florian Fandrich.
Viele Vereinsmitglieder sind wie er Mitte 30 und nach verschiedenen Stationen wieder in den Raum Querfurt zurückgekehrt. Der harte Kern des Vereins bestehe aus etwa zehn Leuten, darunter seien Lehrer, Vertriebler, Fliesenleger, Elektriker und Klempner, zählt Florian Fandrich auf. Er selbst war eine Zeit lang in Berlin. „Viele von uns sind bewusst zurückgekehrt, um die Region nicht den Nazis zu überlassen.“ Der Vereinsvorsitzende der „Rats“ sei auch bei der Feuerwehr und den Pfingstburschen aktiv, man helfe sich gegenseitig aus.
Dass es auf Hardcore-Konzerten mal lauter werden kann, versteht sich von selbst, doch die „Rats“ hätten in Obhausen „die coolsten Nachbarn der Welt“, erzählt Florian Fandrich. Als sie während der Corona-Zeit eine Online-Ausgabe des Festivals veranstalteten, bei der Bands ihre Konzerte in Echtzeit im Internet übertrugen, habe das nur dank eines 50-Meter-LAN-Kabels aus der Nachbarschaft funktioniert.

Seit 2011 veranstalten die „Rats“ des Vereins Eastside Pride Hardcore das Musikfestival „Return to Strength“.
©Luise Mosig