Altmark
Aus Liebe zum Volksliedgut und zur Musik
Ludmilla Quack
Singen schenkt Freude: Über zwei Jahrzehnte ehrenamtliche Arbeit als Chorleiterin
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Astrid Mathis
Ludmilla Quack leitete 25 Jahre die musikalischen Treffen der Osterburger Senioren in der Volkssolidarität. Nun löst Blasmusikant Jürgen Emanuel sie ab. Die Erxlebenerin will keinen Rummel um ihre Person. Sie hat das einfach so gemacht – 25 Jahre die Singegruppe der Volkssolidarität Osterburg geleitet. Jetzt hat sie den Staffelstab an Jürgen Emanuel weitergegeben.
Ihr rollendes „R“ verrät es noch. Ludmilla Quack erblickte im tschechischen Brünn das Licht der Welt. 1942 verstarb ihr Vater, 1946 wurde die Familie aus dem Böhmerwald ausgewiesen. Ihre Mutter zog mit ihr fort – die Zeit in der Heimat möchte sie auch heute nicht missen trotz widriger Umstände, die sie geprägt haben. Als Kind anderthalb Jahre in Gefangenschaft zu geraten, sieht nicht nach einer glücklichen Kindheit aus. Und doch: Zusammen sangen sie Lieder, die glücklich machten, spielten mit dem, was da war. Und wenn es nur eine Wasserpfütze war.
Im Auffanglager in Rossau wurden die Vertriebenen auf die Dörfer verteilt. „Zuerst bin ich in Gagel zur Schule gegangen, dann in Lückstedt und zuletzt von 1954 bis 1958 an die Erweiterte Oberschule in Osterburg“, erzählt Ludmilla Quack. Für ihr Studium als Unterstufenlehrerin in Staßfurt musste sie alle Fächer können, aber Musik lag ihr besonders. Warum wohl? „Ich habe mein ganzes Leben im Chor gesungen.“
In dem von Karl-Gustav Schenk 1969 gegründeten Frauenchor Erxleben war sie von Anfang an dabei und zugegeben am allerliebsten - bis zuletzt hatte sie viele Jahre dort den Vorsitz inne. Auch mit der nachfolgenden Leiterin Elke Osterloth verbindet sie bis zur Auflösung des Chores 2019 nach 50 Jahren nur schöne Stunden.
Große Familie ist für die Rentnerin da
Ludmilla Quack ist viel herumgekommen. In ihrem ersten Jahr unterrichtete sie in Königsmark, 1961 dann in Ballerstedt. „Das gehörte zu Erxleben. Sogar in Polkau hatten Kollegen eine Klasse“, wirft die Rentnerin ein. „Die Älteren erinnern sich vielleicht.“ Schon lange wohnt sie neben der Förderschule in Erxleben, die zu ihrer Anfangszeit als Lehrerin Polytechnische Oberschule war und wo sie 1998/99 an der Förderschule ihr letztes Dienstjahr erlebte.
Ihre Kinder Kerstin und André sind längst ausgeflogen, aber sie kümmern sich heute mehr denn je darum, dass es ihrer Mutter gut geht und bereiten ihr mit den drei Enkelkindern und zwei Urenkeln viel Freude. Da wird auch akribisch nach einer Lupe gesucht, die besonders gut Texte vergrößern kann. Die Augen wollen nicht mehr so, aber davon will Ludmilla Quack nichts wissen, es ärgert sie. Viel lieber erzählt sie von den Anfängen der Gesangsgruppe. „Ute Hoffmann war damals die Leiterin der Volkssolidarität und hat mich 1999 angesprochen, ob ich nicht eine Singegruppe leiten möchte. Versuchen können wir“s ja mal, habe ich darauf gesagt. Ich war ja inzwischen in Rente.“ Auch im Betreuten Wohnen im DRK-Pflegeheim „Sorgenfrei“ in Osterburg verbreitet die Erxlebenerin seit 15 Jahren mit regelmäßigen Gesangsstunden große Freude.
Gern machten die Senioren in der Begegnungsstätte mit. Inge Schäfer aus Erxleben, Jahrgang 1934, die im vergangenen Jahr starb, und Edith Sellin, die in diesem Jahr 100 geworden wäre, gehörten zu den ersten Sängerinnen. Seit September 1999 erklingen einmal im Monat donnerstags Volkslieder in der Begegnungsstätte in der Gartenstraße.
Jutta und Jürgen Emanuel aus Osterburg sind seit zehn Jahren dabei. „Du übernimmst einmal meine Gruppe, wenn ich aufhöre und machst dann die nächsten 25 Jahre“, hatte Ludmilla Quack den Osterburger Blasmusikanten mit ihrer bestimmten Art damals angesprochen. Aus der Nummer kam er nicht mehr raus. Wollte er auch gar nicht. Bis zum 85. Geburtstag würde sie die Singegruppe noch leiten, aber dann sei Schluss. Und nun ist der Tag gekommen. Viele Ständchen stimmten ihre Senioren für sie an. Mit dabei waren so treue Seelen wie der 85-jährige Hilbert Hartmann aus Iden, Helga Brauer, Anneliese Braune und Ute Patan aus Osterburg. Als besondere Bereicherung empfindet die Erxlebenerin das Paar Lisa und Franz Hausstein aus Rossau. Die Zwei hatten extra für sie etwas gedichtet. Aber wichtig sind ihr alle 20 bis 25 Sänger, die regelmäßig kommen. „Singen macht Freude. Und wir singen gemeinsam zu unserer Freude.“
Ein breites Repertoire an Liedern als Erbe
Dass sie seit 2003 mit ihrer Singegruppe, bis 2020 Corona kam, zu den Chortreffen der Volkssolidarität des Landes Sachsen-Anhalt eingeladen wurde, sieht Ludmilla Quack als Ritterschlag. „Beim ersten Auftritt in Wittenberg 2005 ging mir ganz schön die Düse“, gesteht sie und lächelt erleichtert. „Es ist alles gut gegangen. Wir haben ganz viel Beifall gekriegt.“
Noch heute gehören solche Lieder wie „Die Vogelhochzeit“ oder das Wanderlied-Potpourri mit „Hoch auf dem gelben Wagen“ und „Ich armes welsches Teufli“ zu den wiederkehrenden Melodien. Die Leiterin hinterlässt nicht nur ein großes Repertoire an Liedern und genau geführten Mappen, sondern eine Gemeinschaft, für die das Singen Lebensqualität bedeutet. Gekrönt mit Kaffee und Kuchen.
„Ich singe ja in der Gruppe weiter, auch wenn ich nicht mehr die Leiterin bin. Zum Glück kann ich fast alle Lieder auswendig. Die Augen wollen nicht mehr“, gesteht Ludmilla Quack, bevor sie ihre Mappe zuschlägt. „Ich habe viele Hobbys.“ Malen auf Seide mit Wasserfarbe zum Beispiel. Und noch etwas: „Ich kann mich nicht an die moderne Musik gewöhnen. Frank Schöbel habe ich mal in unserem Kulturhaus erlebt. Der ist sehr sympathisch.“ Das hat er mit dem 76-jährigen Jürgen Emanuel gemeinsam. „Wir wollen das Volksliedgut bewahren“, verspricht der neue Leiter „und auch weiterhin alle Jahreszeiten besingen. Zu unserer eigenen Freude und Erinnerung an unsere Heimat.“
©Astrid Mathis