Harz
Leben mit dem Tod - 15 Jahren ehrenamtliche Helferin
Susanne Enge
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Juliane Graichen, Projektleiterin
Foto: Denny Kleindienst
Unterstützung für schwerstkranke Menschen und ihre Angehörigen
Rita Kunze
Susanne Enge aus dem Quedlinburger Ortsteil Bad Suderode hilft sterbenskranken Menschen und deren Familien - sogar in der Nacht. Sie zündet eine Kerze an. Sie macht das oft, es ist so etwas wie ein Ritual. „Der Mensch braucht Rituale“, sagt sie. Wenn man eine Kerze anzünde, dann denke man an seine Verstorbenen. Jedenfalls sei das bei ihr so.
Der Tod ist im Leben von Susanne Enge gegenwärtig; die Bad Suderöderin unterstützt Schwerstkranke und deren Familien und begleitet sie auf dem letzten Weg. Sie gehört zu den 52 ehrenamtlichen Helfern beim ambulanten Hospizdienst Hoffnung, der nach der Schließung der Lungenklinik Ballenstedt der Evangelischen Stiftung Neinstedt angegliedert ist.
Hospizdienst Hoffnung bietet Begleitung an
Seit 15 Jahren geht sie als Ehrenamtliche zu Menschen, die ihr zunächst einmal fremd sind – und für die sie auch eine Fremde ist. Als „Türöffner“ arbeiten die Koordinatoren des Hospizdienstes, Kristin Gloger und Daniel Gebhardt, die den Einsatz der Helfer koordinieren und sie in den Familien vorstellen, die den Hospizdienst um Begleitung gebeten haben und denen sie dann für unbestimmte Zeit zur Seite stehen. Manchmal sind es Monate, manchmal werden aber auch Jahre daraus, in denen das Vertrauen wächst: „Es kommen Pflegedienste in die Familie, und dann kommen wir auch noch dazu. In der gewohnten Umgebung sind immerzu fremde Leute, das ist gar nicht so einfach. Da braucht man Verständnis und Empathie“, sagt Susanne Enge.
Als Hospizhelferin hält sie Sitz- und Nachtwachen, verbringt Zeit mit den Kranken und hält deren Angehörigen so auch schon mal den Rücken frei. In der Zeit, in der sie da ist, haben sie Zeit, Termine wahrzunehmen, einzukaufen, die Kinder aus der Schule abzuholen. „Das macht schon was aus. Man hat ja im Hinterkopf: Wenn ich gerade nicht da bin, passiert was.“ Pflegende Angehörige bekommen so Zeit, etwas für sich zu tun: auch mal zu schlafen, weil das die ganze Nacht nicht möglich war.
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Trauertreff beim Hospizdienst
Dass Susanne Enge diese ehrenamtliche Arbeit macht, hat mit ihrem eigenen Schicksal zu tun. 2008 besuchte sie den Trauertreff des Hospizdienstes. Das hat vieles verändert: „Ich habe in meinem Leben noch nie Menschen kennengelernt, die so viel Empathie anderen gegenüber haben, wie beim Trauertreff.“ Sie überlegt: „Wenn man einen Partner verliert, ist eine Hälfte weg. Man hat Überlebensängste, weiß nicht, wie es weitergehen soll, wie reagieren die Kinder? Muss das Haus verkauft werden? Da kommen zur Trauer auch noch Existenzängste. Im Hospiz habe ich gelernt, dass es vielen so geht.“ Eine Helferin sagt: „Ich habe gelernt, dankbar zu sein.“
Susanne Enge ist im Ruhestand, hat früher als Kundenberaterin gearbeitet. Im Hospizdienst hat sie schon geholfen, als sie noch berufstätig war: „Mir wurde sehr geholfen. Und es ist schön, wenn man Menschen helfen kann.“ In für sie schweren Zeiten habe sie gelernt, dankbar zu sein. „Das versuche ich auch, in meine ehrenamtliche Arbeit mit einzubringen: Den Leuten nicht nur sagen, wie schlimm alles ist, sondern versuchen, für das, was man hatte, dankbar zu sein.“
Woher nimmt sie die Kraft? „Aus mir“, sagt sie. „Mich erfüllt, anderen zu helfen. Das habe ich schon immer gerne gemacht. Es war nie so, dass ich mich zwingen musste. Aber man kann sich nicht nur einbringen, man muss auch etwas für sich tun.“ Und man brauche gute Freunde: „Es war immer jemand für mich da.“
©Rita Kunze/Brigitte Bonaposta/stock.adobe.com