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  Jerichower Land  

Ein Leben für strahlende Kindergesichter

Birgit Brandtscheit

Seit 17 Jahren im Ehrenamt für die Zerbster Kindertafel

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  Johanna Flint  

Birgit Brandtscheit sorgt dafür, dass Kinder in Zerbst etwas zu essen bekommen, spielen können und gleichzeitig lernen - alles rein ehrenamtlich.

Schrill pfeift Birgit Brandtscheit mit den Fingern: „Alle Kinder zu mir!“ Sie steht inmitten des Gartens der Zerbster Kindertafel, um sie herum herrscht buntes Treiben. Heute wird der sechste Geburtstag von Melisa gefeiert und alle sollen gemeinsam „Happy Birthday“ für sie singen. Kinder rennen umher, Wasser spritzt aus dem Planschbecken und es duftet nach dem Gericht, das wohl jedem Kind schmeckt: Nudeln mit Tomatensoße.

Während das Hauptaugenmerk der Tafel auf der Lebensmittelausgabe liegt, geht das Angebot der Kindertafel weit darüber hinaus. Brandtscheit ist die Leiterin und hat sie 2007 mitbegründet. „Den Erwachsenen zu helfen, ist eine Sache. Bedarf sehe ich viel eher bei den Kindern. Ganz viele kamen mit kaputten Sachen, hatten nicht ausreichend zu essen. Wir hatten wirklich Defizite, die mir ins Auge gesprungen sind“, so Brandtscheit über ihre Beweggründe, sich für die Kleinen einzusetzen.  Seit 17 Jahren verbringt sie jede Woche viele Stunden damit, dass Zerbster Kinder aus sozial schwachen und von Armut bedrohten Familien zu essen bekommen, gemeinsam spielen, basteln und manchmal eben auch Geburtstag feiern können – alles auf ehrenamtlicher Basis.

Kinder mögen „Tante Birgit“

Zwei Gruppen kommen jeweils einmal die Woche für einige Stunden zur Kindertafel. Jedes Mal dabei ist die Familie Neuling. Die zehnjährige Elsa bringt gerne ihre beste Freundin Selina mit. Am liebsten malen die beiden zusammen, auch auf der Geburtstagsfeier sind sie wieder kreativ. „Tante Birgit“, wie sie von den Kindern genannt wird, mögen beide sehr. Auch die Erwachsenen haben sie ins Herz geschlossen. „Ich bin über Birgit erstaunt, da sie immer wieder neue Ideen für die Kinder hat. Da fragt man sich manchmal, ’Warum bin ich nicht darauf gekommen?’“, sagt Elsas Vater Gerhard Neuling.

Kreativität und Einfallsreichtum sind für Brandtscheits Arbeit essenziell. Der Kindertafel steht kaum Geld zur Verfügung, mit dem Dinge angeschafft werden können. Der Großteil der Spenden, welche die Tafel erreichen, wird dafür genutzt, die Lebensmittelausgabe am Laufen zu halten. Also kocht Brandtscheit für die Kinder mit dem, was schon da ist. Auch Dinge wie die Ausstattung der Küche, Spielsachen und Bastelmaterialien hat die Kindertafel nur dank Spenden. „Was habe ich schon hier und was kann ich daraus machen?“, sei deshalb ihre Devise, anstatt Neues anzuschaffen.

Brandtscheit ist ständig zwischen den Kindern unterwegs, animiert sie zum Spielen, bringt sie aber auch zur Ruhe, wenn sie sich mal auf eine Aufgabe konzentrieren sollen. Dass sie sich bei der Tafel engagiert, sei aus einem Zeitloch entstanden: „Ich habe etwas gesucht, wo man sich ehrenamtlich beschäftigen kann, aber ohne wirklich zu arbeiten“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Im Laufe der Zeit wuchsen die Aufgaben jedoch immer mehr, und mit ihnen auch der Spaß, den sie empfand. Mittlerweile kommen Eltern mit ihren Kindern zur Tafel, die früher selbst als Kinder da waren. Brandtscheit werde so in die Familien mit integriert – einer der Gründe, warum sie so lange dabei ist.

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Viele Kinder nehmen die Angebote von Birgit Brandtscheit (l.) in der Kindertafel Zerbst an. Diese wurde vor 17 Jahren gegründet und ermöglicht es Kindern, die von Armut bedroht sind, zu lernen und zu spielen.

Dank Spenden sind Ausflüge möglich

Auch Ausflüge stehen immer wieder auf dem Programm der Kindertafel. Im Rahmen eines Projekts sollte den Kindern beispielsweise näher gebracht werden, wie der Klimawandel sich auf ihre Heimat auswirkt. Gemeinsam sind sie deswegen nach Nebra, Stendal, ins Tropical Island und sogar eine Woche nach Goslar gefahren. „Das war so schön“, erinnert sich Gerhard Neuling zurück. Welche besonderen Erlebnisse durch Brandtscheits Arbeit möglich werden, macht er auch deutlich: Für ihn war der Urlaub in Goslar der erste in seinem Leben. Gesponsert wurden die Ausflüge von der Lidl Pfandspende – so mussten die Kinder nichts dafür bezahlen.

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Kostet nicht viel: Kreatives Arbeiten mit Farbe sorgt bei den Kindern regelmäßig für viel Spaß.

Die Kinder zur Kasse bitten, das möchte Brandtscheit allgemein nicht. Stattdessen animiert sie die Eltern dazu, auch mit zur Tafel zu kommen und bei der Betreuung, beim Kochen und bei den anfallenden Arbeiten mitzuhelfen. „Zielstellung für uns ist, die Eltern zu aktivieren und ihnen zu zeigen, dass die Beschäftigung und Förderung der Kinder auch ohne oder mit ganz wenig Geld möglich ist“, sagt Brandtscheit. So auch beim Kindergeburtstag: Melisas Mama Kateryna hat einen Kuchen gebacken und einen Salat zubereitet. Auch Gerhard Neuling macht das nichts aus – ganz im Gegenteil: „Ich habe hier viel Spaß, da ich helfen kann. Beim Rasen mähen, Pool aufstellen, mit Wasser befüllen und so weiter. Ich finde, es gibt noch viel zu wenige Unternehmen wie diese.“

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In der Zerbster Kindertafel finden Familien einen Ort für ein paar ruhige Stunden zusammen.

©Johanna Flint

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